Am Horizont bahnt sich aktuell ein Gesetz an, das, wenn durchgewunken, das Bitcoin Mining und die gesamte Industrie der Kryptowährungen in der USA “töten” würde.

Eine Brücke stürzt irgendwo in einem Vorort von Minnesota ein. Währenddessen machen defekte Rohre das Trinkwasser im städtischen Michigan unsicher. Gleichzeitig fällt das Internet im ländlichen Kansas aus.

Die Antwort auf diese Probleme in Höhe von 550 Milliarden Dollar ist der in Arbeit befindliche überparteiliche Gesetzentwurf zur Infrastruktur, den der Senat aktuell ausarbeitet.

Was das alles mit Kryptowährungen zu tun hat?

Augenscheinlich rein gar nichts, doch tatsächlich eine ganze Menge. Denn den Preis für all das soll unter anderem die Crypto-Branche zahlen und das auf eine Art und Weise, welche die Branche, wie wir sie kennen, den Gar ausmachen könnte.

Doch gehen wir der Reihe nach und schauen uns das ganze Schlamassel genauer an.

Es gleicht einem Bitcoin Mining Verbot in den USA

Der besagte Gesetzentwurf enthält eine Bestimmung, welche die steuerrechtliche Definition eines Brokers auf “jede Person, die (gegen Entgelt) für die Durchführung von Transaktionen digitaler Vermögenswerte verantwortlich ist und regelmäßig Dienstleistungen erbringt” erweitert.

Diese Definition ist so weit gefasst, dass sie bei wörtlicher Auslegung auf nahezu jeden Wirtschaftsakteur in der Crypto-Industrie in den USA zutreffen könnte.

In der Praxis könnte das bedeuten, dass jeder PoW-Miner, PoS-Validierer und möglicherweise sogar diejenigen, die in dezentralen Finanzmärkten tätig sind, diese Definition der IRS-Berichtsanforderungen erfüllen und sogenannte 1099-Formulare einreichen müssen.

Um das Formular 1099 auszufüllen, müssen Kundendaten wie Name, Adresse und Steueridentifikationsnummer erfasst werden. Daten, an die viele der oben genannten Akteure nicht einmal drankommen würden, wenn sie es wollten. Sie wären schlichtweg nicht in der Lage, diese Auflage zu erfüllen.

Jake Chervinsky von Compound fasste es auf Twitter richtigerweise wie folgt zusammen:

Es ist buchstäblich unmöglich für nicht sorgeberechtigte Akteure wie Miner, die Informationen zu erhalten, die sie für das Formular 1099 benötigen. In der Praxis könnte dies ein De-facto-Verbot des Minings in den USA bedeuten.

Je nachdem, was “gegen Entgelt” bedeutet, könnte sich die Definition eines “Brokers” auch auf nichtwirtschaftliche Akteure wie Node-Betreiber oder Wallet-Entwickler ausdehnen.


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28 Milliarden $ sollen so aus der Crypto-Industrie herausgepresst werden

Das klingt alles ziemlich verrückt und es ist auch nicht der erste Versuch seiner Art.

So hat das Finanzministerium in der Trump-Ära beispielsweise eine Regulierung für Crypto-Wallets vorgeschlagen. Diese sah vor, dass Banken und Gelddienstleistungsunternehmen bei jeder Transaktion von Kryptowährungen an eine private Wallet verpflichtet sind, Berichte einzureichen, Aufzeichnungen zu führen und die Identität der Kunden zu überprüfen.

Was wir aktuell sehen, könnte allerdings noch eine ganze Ecke schlimmer sein. Denn während die meisten Gesetzesentwürfe zur Regulierung von Kryptowährungen ins Leere laufen und daher leicht zu ignorieren sind, ist es dieses Mal anders.

Diese Bestimmung ist Teil des parteiübergreifenden und ansonsten beliebten Infrastrukturgesetzes, das sich schnell durch den Kongress bewegt und höchstwahrscheinlich verabschiedet wird.

Ein solcher Gesetzentwurf muss sogenannte “Pay-for”-Bestimmungen enthalten. Ihre Aufgabe ist es, zusätzliche Einnahmen zu generieren, um die mit der Durchführung des Entwurfes verbundenen Kosten decken zu können.

Es gibt im Wesentlichen drei Möglichkeiten, um dies zu bewerkstelligen:

  1. Durch eine Erhöhung der bestehenden Steuern,
  2. eine Einführung neuer Steuern
  3. oder die Verbesserung der Steuereinhaltung.

Die “Broker”-Definition ist eine der “Pay-for”-Bestimmungen im Entwurf des Senats für das Gesetz und fällt angeblich in die dritte Kategorie. Der Kongress argumentiert nämlich, dass es im Bereich der Kryptowährungen viele Steuersünder gibt. Eine Aussage, die allerdings durch nichts bewiesen ist.

In jedem Fall rechnet der Gesetzgeber damit, dass diese Bestimmung zu 28 Milliarden US-Dollar mehr an Einnahmen führen kann. Wie sie auf diese Summe kommen, ist ebenfalls vollkommen unklar.

Eine versteckte Offensive gegen Kryptowährungen

Die Frage, die sich dem ein oder anderen aufmerksamen Leser an dieser Stelle eventuell stellt, ist, wie eine solche Bestimmung zusätzliche Einnahmen generieren soll. Insbesondere dann, wenn ihre Einhaltung für die meisten Akteure in der Praxis schlichtweg unmöglich ist.

Die logische Konsequenz wäre, dass ein solches Gesetz die gesamte Industrie aus dem Land vertreiben würde. Schlussfolgernd würden also keine zusätzlichen Einnahmen generiert, sondern die Einnahmen aus einer ganzen Industrie vernichtet werden.

Auch hier bringt Chervinsky es passend auf den Punkt. Daher wollen wir an dieser Stelle seine Schlussfolgerung zitieren:

Es widerspricht der Logik, eine Verordnung zu verabschieden, deren Einhaltung buchstäblich unmöglich ist, es sei denn, das Ziel ist es, die Branche zu töten.

Es ist offensichtlich, dass hier im Deckmantel einer größeren Sache versucht wird, eine Hintertür zu nutzen, um bestimmte Interessen durchzusetzen. Die Formulierungen sind wahrscheinlich absichtlich so schwammig formuliert. Sie schaffen die Möglichkeit, sich im Nachhinein einer für manche Akteure in den USA lästigen Branche zu entledigen.

Evan Greer, Direktor der Gruppe für digitale Rechte Fight for the Future, erklärte gegenüber der News-Plattform Decrypt:

Es scheint eine heimliche Hintertür zu sein, um die kürzlich verzögerten FATF-Richtlinien ohne echten demokratischen Prozess in Kraft zu setzen.

Dabei bezog er sich auf den Entwurf der Financial Action Task Force (FATF) für einen Leitfaden für Anbieter von virtuellen Vermögenswerten. Dieser schreibt nämlich v0r, dass auch Unternehmen, die keine Kryptowährungen verwahren, Daten über die Nutzung von Kryptowährungen durch andere sammeln und diese an die Regierung melden müssen.

Politische Änderungen, die sich auf die bürgerlichen Freiheiten, die Privatsphäre und die Zukunft des Internets auswirken, sollten in aller Öffentlichkeit diskutiert werden und nicht in letzter Minute an ein Infrastrukturgesetz angehängt werden, das unbedingt verabschiedet werden muss.

Es gibt noch Hoffnung

Hier handelt es sich zweifelsohne um eine zutiefst fehlgeleitete Bestimmung. Wenn sie angenommen wird, schadet sie den Interessen der USA allerdings weit mehr, als es ihr nützen wird. Letzteres ist der Hoffnungsschimmer, der uns aktuell noch bleibt.

Vor allem sind es ökonomische Gründe, die verhindern könnten, dass die Bestimmung in den finalen Entwurf mit aufgenommen wird.

Chervinsky nennt in seinem ausführlichen Twitter-Thread zu der Thematik fünf Hauptgründe dafür, warum es nicht im Interesse der USA ist, ein solche Bestimmung durchzuwinken.

Erstens widerspricht es jeder Logik, eine Vorschrift zu erlassen, deren Einhaltung buchstäblich unmöglich ist. Es sei denn natürlich, das Ziel besteht darin, die Branche zu vernichten.

Zweitens wäre es ein großer außenpolitischer Misserfolg. Dadurch, dass China den geopolitischen Fehler begangen hat, Bitcoin Miner aus ihrem Land zu vertreiben, haben die USA nun die Chance, signifikante Marktanteile in diesem wichtigen Sektor übernehmen zu können.

Drittens macht die Bestimmung ökonomisch nur wenig Sinn. Für jeden neuen Dollar an Steuereinnahmen gehen mehrere verloren.

Die US-beheimatete Krypto-Industrie wird entweder seinen Betrieb weitestgehend einstellen oder ins Ausland abwandern. Währenddessen werden US-Bürger dazu motiviert, auf unregulierte Plattformen auszuweichen. Die IRS wird also nicht mehr Kontrolle gewinnen, sondern verlieren.

Der vierte Punkt ist, dass seit dem Amtsantritt von Präsident Biden das Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN) eine Menge solider Arbeit an der AML-Regulierung von Kryptowährungen geleistet hat. Eine KYC-Auflage durch die Hintertür der Abgabenordnung einzuführen, würde all diese Bemühungen untergraben.

Der fünfte und, wie wir finden, ausschlaggebendste Punkt ist, dass hier versucht wird, das Recht auf Privatsphäre auf eine zwielichtige Art und Weise massiv einzuschränken.

Sollte die Bestimmung auf diese Art und Weise durchgewunken werden, wäre dies ein Armutszeugnis für die USA. Ein Staat, der sich selbst als demokratisch und freiheitsliebend bezeichnet.

Noch gibt es keinen Grund zur Panik

Das Infrastrukturgesetz wurde gestern in einer Abstimmung mit 66 zu 28 Stimmen angenommen. Die Senatoren arbeiten weiter an der Überarbeitung des Gesetzentwurfs. Nächste Woche findet die endgültige Abstimmung statt, bevor der Kongress am 9. August in die Pause geht.

Das ist aber noch kein Grund zur Panik. Diese Bestimmung ist noch nicht endgültig, sodass Änderungen noch möglich sind.

Hinzu kommt, dass, selbst wenn der Kongress den Gesetzesentwurf in seiner jetzigen Form verabschiedet, er frühestens im Jahr 2023 in Kraft treten dürfte. Entsprechend gäbe es noch genug Zeit, sie im Kongress oder vor Gericht rückgängig zu machen.

Die Dinge rundum Kryptowährungen entwickeln sich schnell, was oftmals beängstigend sein kann. Denn selten ist klar, wo das Ganze hinführen wird.

Dennoch ist es wichtig in diesen Zeiten die Nerven zu behalten. Man sollte sich durch Säbelrasseln nicht aus einer so vielversprechenden Branche vertreiben lassen. Weder als aktiver Akteur, noch als Investor.

Zudem können wir aktuell etwas positives beobachten. Denn in solchen Fällen tritt die gesamte Branche geschlossen auf, um sich gegen Attacken wie diese zur Wehr zu setzen.

Die Branche umfasst nicht nur einige der klügsten Köpfe weltweit, sondern ist auch mittlerweile ein Multi-Billionen Dollar Industriezweig. Deswegen ist hier, ganz gleich wie es kurzfristig ausgehen wird, noch nicht das letzte Wort gesprochen worden.


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