Viel wurde in die Äußerungen von Ripple-CEO Brad Garlinghouse im Januar in Davos herein interpretiert als er über den geplanten Börsengang von Ripple sprach, der innerhalb der nächsten 12 Monate stattfinden könnte. Viele haben darauf spekuliert, dass wir noch in diesem Jahr eine Ripple IPO sehen würden. Mittlerweile ist allerdings das Jahr mehr als zur Hälfte vorbei. Jüngste Gerichtsentscheidungen in der laufenden Sammelklage gegen Ripple machen zudem einen Börsengang in 2020 immer unwahrscheinlicher.
Ist die Ripple IPO durch die Sammelklage gegen das Unternehmen gefährdet? Und was bedeutet das ausstehende Gerichtsurteil für den Börsengang des Unternehmens und den XRP Kurs? Hier erfährst du es!
Sammelklage zieht der Ripple IPO einen Strich durch die Rechnung
In den nächsten 12 Monaten werden Sie IPOs im Crypto/Blockchain-Bereich sehen. Wir werden nicht die Ersten sein und wir werden nicht die Letzten sein, aber ich erwarte, dass wir an der Spitze stehen … das ist eine natürliche Entwicklung für unser Unternehmen.
In diesen Worten verkündete Brad Garlinghouse, CEO von Ripple, Ende Januar auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos den geplanten Börsengang des Crypto-Unternehmens. Zu diesem Zeitpunkt hatte er vielleicht gehofft, dass eine von Bradley Sostack eingereichte Sammelklage auf Antrag der Anwälte von Ripple in einer für Ende Februar anberaumten Anhörung vor einem Bundesgericht bald abgewiesen werden würde.
Die Ankündigung von Garlinghouse erzielte auf jeden Fall seine Wirkung. Der XRP Kurs stieg in den drei Wochen nach Davos um über 40% und brachte damit etwas Licht in das dunkle Tal, dass der XRP Kurs zusammen mit den Investoren der Kryptowährung seit längerem durchschreiten.
Zum Leidwesen von Ripple und aller XRP Anleger wurde die Klage gegen das Unternehmen allerdings nicht abgewiesen.
Wie so viele andere Ripple-Klagen argumentierten Herr Sostack und seine Mitkläger, dass Garlinghouse, Ripple Inc. und XRP II LLC ein Programm zur Beschaffung von Hunderten von Millionen Dollar durch den Verkauf von XRP (bei dem es sich ihrer Meinung nach um ein nicht registriertes Wertpapier handelt) an Kleinanleger unter Verletzung der Registrierungsbestimmungen der Wertpapiergesetze des Bundes und der Bundesstaaten eingeleitet hatten. Falls das Gericht zustimmen sollte, wollten die Antragsteller Schadenersatz und da die Klage im Namen “aller Anleger” geführt wurde, könnte die Höhe des Schadenersatzes sehr erheblich ausfallen.
Entsprechend ernüchternd reagierte auch der XRP Kurs auf diese Neuigkeiten.
Garlinghouse soll laut Anklage 67 Mio. XRP verkauft haben
Noch ist nichts in der Gerichtsverhandlung entschieden. Das Gericht wies den Fall zwar nicht gänzlich ab, wies Sostack jedoch darauf hin, dass sein Fall nur wenige Einzelheiten aufzeige und dass seine Anwälte weitaus detailliertere Angaben darüber machen müssten, wie genau die Angeklagten angeblich haftbar seien.
Genau dieser Forderung des Gerichts kamen die Kläger nach, als sie im März eine revidierte Klage eingereicht hatten, in der sie behaupteten, dass Garlinghouse im Jahr 2017 rund 67.000.000 XRP still und heimlich gegen Fiat-Geld und andere Kryptowährungen verkauft haben soll.
Gleich wenn uns die genauen Zeitpunkte der Verkäufe nicht bekannt sind, ist klar, dass, sofern die Anschuldigungen wahr sind, es sich dabei um eine beträchtliche Summe handelt. Insbesondere kurz vor der Jahreswende erlebte der XRP eine unglaubliche Preis-Rallye. Der XRP Kurs stieg innerhalb von nur 2 Wochen von 0,24$ auf 2,78$.
Sollten die Anschuldigungen sich als wahr erweisen, wäre das in jedem Fall ein erheblicher Vertrauensbruch, denn der CEO gab sich gleichzeitig als Inhaber von XRP aus, der an seinen Anteilen und dem langfristigen Erfolg von XRP festhält.
Warum der Ausgang der Klage für Ripple so bedeutend ist
Mit der Ankunft von Covid-19 und der Verschiebung aller Zivilprozesse vor kalifornischen Gerichten von Ende März auf Anfang Mai zerfiel jede Hoffnung, dass die verschiedenen Ripple-Klagen schnell unter Dach und Fach gebracht werden könnten.
Jedoch konnte Ripple seitdem einen kleinen Sieg davon tragen. Am 28. Mai ist es ihnen gelungen, die kalifornischen Bundesgerichte dazu zu bewegen, einen weiteren ähnlichen Fall in den Sostack-Fall einzubeziehen. Das bedeutet, dass das Unternehmen nicht mehr gleichzeitig gegen mehrere Fälle vorgehen muss.
Der Ausgang dieses Verfahrens wird von vielen Seiten mit Aufmerksamkeit verfolgt. Eine Entscheidung des Bundesbezirksgerichts im Fall Sostack würde zwar keinen Präzedenzfall für bundesstaatliche Fälle in den USA schaffen, aber sie wäre zumindest überzeugend.
Einfach ausgedrückt: Wenn es Ripple gelingen sollte, diese Klage abzuweisen, dann würden es alle ähnlichen Fälle bedeutend schwieriger haben, das Unternehmen erneut vor Gericht zu bringen.
Doch auch für eine Ripple IPO ist der Ausgang des Falles von entscheidender Bedeutung.
Auswirkungen auf eine Ripple IPO
Aus der Perspektive eines Ripple-Börsengangs ist eine Entscheidung in diesem Rechtsstreit aus zwei Hauptgründen entscheidend.
Zum einen, wenn das Gericht zu Lasten von Ripple entscheidet und sagt, dass XRP einem Wertpapier entspricht, wird das Unternehmen mit einer potenziell signifikant hohen Schadensersatzforderung konfrontiert werden. Zudem würde es ein Präzedenzfall schaffen, dem aller Wahrscheinlichkeit nach viele weitere Klagen folgen würden. Die Auswirkungen auf den XRP Kurs wären ebenfalls drastisch.
Zum anderen, wenn das Gericht Ripple’s XRP-Token als Wertpapier einstufen würde, wäre eine entscheidende Frage hinsichtlich der Ripple IPO zu klären und zwar: Wie kann Ripple dann überhaupt noch einen weiteren Börsengang starten und vor allem eine mögliche Durchsetzungsmaßnahme der SEC verhindern?
Wie wertvoll ist Ripple ohne XRP eigentlich?
Obwohl es sich bei Ripple und dem XRP-Token um zwei verschiedene Dinge handelt, ist diese Botschaft für viele Investoren noch immer unklar. Sollte also das Gerichtsurteil in aller Deutlichkeit entscheiden, dass es sich bei XRP um kein Wertpapier handelt, ist spätestens dann klar, dass sich das gesamte Wertangebot des Unternehmens um den Erfolg seines RippleNet dreht.
Bei RippleNet handelt es sich um eine Reihe von Instrumenten zur Verbesserung globaler Werttransfersysteme, insbesondere in Bezug auf Finanzinstitutionen und Unternehmen. Das RippleNet-Softwarepaket besteht dabei aus den drei verschiedenen Softwareprodukten xCurrent, XRapid und xVia.
Anfangs hat Ripple diese gesondert auf ihrer Webseite aufgelistet und angeboten. Mittlerweile sind allerdings alle unter einem Dach vereint und zu finden ist nur noch das RippleNet.
Doch wie Jason Bloomberg in seinem Forbes-Artikel “Is Ripple A Scam” aus dem Jahr 2019 feststellt, ist es seiner Meinung nach unwahrscheinlich, dass das RippleNet über beeindruckende Cashflows verfügt.
Ob sich seine Befürchtungen aus dem letzten Jahr bewahrheiten werden, würde durch eine Ripple IPO aufgedeckt werden. Denn wenn das Unternehmen den Papierkram für einen Börsengang bei der SEC einreichen wird, ist unter anderem die Einreichung eines S-1-Formulars bei der Kommission erforderlich. Als Teil dieses Prozesses müssen alle Einnahmen und Betriebskosten von Ripple der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Zusätzlich wäre eine gründliche Offenlegung in Bezug auf den Geschäftsplan und die mögliche zukünftige Leistung erforderlich.
Zur Einreichung dieses Dokuments seitens Ripple ist es unseres Wissens noch nicht gekommen.
Kommt bald die Welle an Crypto IPOs?
ICOs sind von gestern, während IPOs das Morgen bestimmen könnten. Viele glauben, dass solche IPOs the next big thing für Crypto sein könnten.
Garlinghouse selbst machte auf den Konferenz bereits die Aussage, dass Ripple nicht der erste große Crypto-Player sein werde, der einen Börsengang beantragt. Doch wenn es Ripple nicht ist, wer wird es dann?
An potentiellen Kandidaten mangelt es in jeden Fall nicht. Zumindest nicht, wenn man den Gerüchten über potentielle Börsengänge von großen Akteuren wie Coinbase und Robinhood glauben schenken kann. Bis heute hat allerdings auch keiner von ihnen unseres Wissens nach bei der SEC einen S-1-Antrag gestellt.
Da zwischen der Einreichung eines S-1 und dem tatsächlichen Börsengang durchschnittlich drei bis sechs Monate vergehen, ist fraglich, ob wir im Jahr 2020 noch die erste Crypto IPO erleben werden. Die Zeit dafür wird in jeden Fall immer knapper.